Hunde haben wir in Südamerika von einer völlig anderen Seite kennen gelernt

Gleich in der ersten Campingnacht bekam Margit den ersten Vorgeschmack. Sie musste in der Nacht dringend aufs Klo und da wir uns dummerweise ins letzte Eck gestellt hatten, war der Weg dorthin weit und dunkel. Auf halbem Weg hörte sie ein Bellen, das näher kam. Na super, da kamen zwei große Hunde angaloppiert. Leider sah sie nicht gleich, ob die Zähne gefletscht oder die Ohren angelegt waren. Nun hieß es stehen bleiben und hoffen, dass sie einigermaßen brav waren. Sie kamen daher und fielen wenigstens nicht gleich über sie her. Margit wollte langsam weiter gehen, aber da fühlte sie auch schon, wie der Hund ihre Hand packte, Gottseidank aber nicht sonderlich fest. Sie nahm an, dass die Hunde zu einem anderen Camping-Gast gehörten, da sie tagsüber welche bei jemanden liegen hat sehen. Sie sagte auf Spanisch (oder versuchte es wenigstens): „Ich möchte hier vorbei gehen, aber Ihre Hunde belästigen mich!“. Tatsächlich kam jemand aus seinem Camper heraus und die Hunde gingen gleich zu ihm. Margit schaute ihn böse an und ging aufs Klo. Beim Rückweg schaute sie ihn wieder böse an, er schaute etwas verwundert zurück.

Ob die Hunde wirklich zu dem Mann gehörten, werden wir nicht mehr erfahren. Die nächsten Tage lernten wir nämlich langsam, dass Hunde in Südamerika allgegenwärtig sind. In der Stadt liegen sie besonders gern am Stadtplatz herum und auf jedem Campingplatz gibt es Hunde, die dort wohnen. Das ist ganz normal und die Leute bringen manchmal sogar extra Futter für sie mit. Man kommt an und sofort ist ein Hund da und bieselt erst mal an den Reifen. Dann schaut er einen erwartungsvoll mit treuen Augen an und wenn es trotzdem nichts gibt, legt er sich halt mal hin – natürlich dahin, wo er am meisten stört: direkt vor den Campingstuhl oder vor den Camper, mitten im Weg halt, so dass man möglichst umständlich über ihn drüber steigen muss, sonst würde man ihn ja womöglich vergessen. Bei jeder Mahlzeit ist er gleich am Start, aber verwunderlicherweise hat er dabei (fast) immer gute Manieren. Es kommt zwar schon mal vor, dass die Schnauze ganz langsam immer näher Richtung Tischplatte wandert, aber wenn er ermahnt wird, legte er sich meist brav wieder hin und versucht es wieder mit herzzerreißendem Blick. Wir haben tatsächlich damit angefangen, Essensreste für die Hundis aufzusparen.

Irgendwie gewöhnt man sich langsam daran und eigentlich ist es ja schon nett, immer gleich von einem Hund begrüßt zu werden. Manche sind allerdings etwas zu anhänglich und zeigen einem ihre Zuneigung – egal, ob sie erwidert wird oder nicht – indem sie sich mit vollem Gewicht an einen anlehnen. Da kann man nur hoffen, dass irgendwas passiert, was kurz ablenkt (z.B. ein anderer Hund oder Campinggast), so dass man sich aus dem Staub machen kann. Selbst auf dem Klo kommt man nicht aus, denn manchmal wohnt dort ein Hund. Auch wenn man sich beim Reingehen ordentlich erschreckt, weil da ein Viech unter dem Waschbecken liegt, freut er sich richtig über den Besuch und möchte dann selbstverständlich auch gerne in die Klokabine mit.

Einmal gingen wir vom Campingplatz in die Stadt, um Besorgungen zu machen – mit allen drei Camping-Hunden im Schlepptau, denn sie dachten wohl: vielleicht geht’s ja zum Metzger! Auf dem Weg wurden noch ein bisschen die Nachbar-Hunde verjagt und angebellt, aber danach holten sie uns gleich wieder ein und trotteten hinter uns her. Die Autofahrer mussten am Zebrastreifen halt etwas länger warten, bis auch wirklich alle Hunde drüben waren, aber mei. Wir wollten eine Tour buchen und gingen in eine Agentur. Die Hunde warteten brav draußen und legten sich wie gewohnt mitten vor den Eingang, damit wir sie beim Rausgehen ja nicht vergessen. Die Agentur hatte keine Plätze mehr frei und so gingen wir zu einer weiteren Agentur auf der anderen Straßenseite, d.h. wir mussten über die Hunde drüber steigen und wieder den Verkehr aufhalten, um alle Hunde wohlbehalten über den Zebrastreifen zu bringen. Wir buchten die Tour und die Hundis warteten wieder brav bzw. schauten ab und zu durchs Schaufenster, was denn hier so lange dauert. Selbes Spielchen auf dem Weg zurück und dann ging es endlich in den Supermarkt. Ein Hund wollte da dann schon mit rein zum Steak-Aussuchen. Margit sagte ihm zwar, dass sie nichts für ihn kaufen würde und er wieder rausgehen soll; er verstand aber kein Deutsch, erst das nette aber bestimmte „Afuera“ der Verkäuferin brachte ihn dazu, halt wieder aus dem Laden zu trotten. In freudiger Erwartung trabte man dann zurück nach Hause und der erwartungsvolle Hundeblick sagte klar und deutlich: jetzt gib endlich das Wursti her; aber es gab nix – fies eigentlich.. Was bleibt übrig, als sich wieder hinzulegen, aber natürlich da, wo man besonders stört.

Schließlich muss der Hund sich ja ausruhen für die Nacht, denn ab ca. elf Uhr ist Hundestunde. Da werden alle Hunde wach und jeder muss sich erst mal ausführlich mit den benachbarten Hunden unterhalten. Bei einer genügend großen Nachbarschaft kann das schon mal die ganze Nacht dauern. Und wehe es kommt ein fremder Hund daher, der wird gleich mal ordentlich zusammen gebellt. Das passiert dann natürlich meist, wenn man selbst gerade am Einschlafen ist. Muss man in der Nacht raus, kann das etwas heikel werden, denn irgendwie kommt es einem so vor, als ob man nachts Gast in der Hundewelt wäre. Auf dem Campingplatz meist ein willkommener Gast zwar, aber man muss trotzdem damit rechnen, wie andere Hunde angebellt und angesprungen zu werden. Tagsüber liegen die Wuffis wieder hundemüde herum und bewegen sich nur, wenn es vielleicht etwas zu Fressen geben könnte.

Anders sieht es aus mit Hunden, die zu jemanden gehören, denn dann werden sie zur Bewachung von Haus und Hof gehalten. Spätabends sollte man dann lieber nicht mehr in der Nähe eines privaten Hauses sein, denn oft gibt es keinen Zaun und wenn doch, ist er mit Sicherheit löchrig. Am Tag schlüpfen sie dann durch eben dieses Loch und haben fremde Menschen gern als Gesellschaft, aber in der Nacht nehmen sie ihre Aufgabe schon ernst.

Nach und nach bekamen wir mit, dass Hunde alles dürfen. Am Stadtplatz um Essen betteln (einmal war es uns dort unmöglich, unsere Brotzeit zu essen), an einem Hochspringen, auch wenn er sich gerade im Dreck gesuhlt hat (Danke, diese Hose habe ich gestern erst gewaschen), mitten auf der Straße liegen oder auf die Straße rennen. Sie können sicher sein, der Autofahrer legt ne Vollbremsung für sie hin. Sie dürfen überall mit hin; wenn der Hausherr zu seinem Pickup geht, springt der Hund sofort auf die Ladefläche und los gehts. Und der Hund genießt es sichtlich, sich den Fahrtwind um die Ohren wehen zu lassen. Hier ist der Hund ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft.

Wieder zuhause haben uns die Hunde dann fast leid getan. Sie müssen an die Leine, dürfen ihre Artgenossen nicht standesgemäß begrüßen, und wenn sie auf dem Campingplatz ein „Wau“ von sich geben, gibt es gleich ein „Sch, sei leise“. Vor sich hin quietschen und jaulen, was mindestens genauso nervt, geht aber. Sind sie andererseits doch mal nicht an der Leine, weiß man oft nicht, ob sie ihre Grenzen auch wirklich kennen, wenn sie einem entgegen galoppieren. Tja, wo geht es den Hunden wohl besser?